[Oliver M. Reuter]
Die österreichische Künstlerin Maria Lassnig (1919-2014) erarbeitete sich >Körperbewusstseinsbilder<. Mit diesem Begriff belegte sie ihre Selbstporträts, die für sie weit über die Darstellung objektiver Realität hinausgehen sollten. Das Hineinspüren in sich selbst in Korrespondenz mit Geschehnissen, die ihrem Körper widerfahren, führt durch das Transponieren ins Bild zu ausdrucksstarken Werken. Diese haben in ihrer eigenen Sprache von Formgebung und Farbverwendung und dem Verzicht auf eitle Attidüden einen hohen Wiedererkennungswert. Eine eigene Bildsprache derart, wie sie heute mit Lassnig assoziiert wird, entwickelt sich über die Jahre. Expressionistische und neoimpressionistische Einflüsse sind erkennbar. Zentral bei Lassnigs Selbstporträts ist die Verbindung aus der Abbildung der eigenen körperlichen Hülle mit dem laibgefühlten Ausdruck. Die entstehenden Arbeiten werden dadurch nicht zu selbstgefälligen Malereien sondern fordern die Betrachtenden über dargestellte Abwege (z.B. in >Dame mit Hirn<, 1990) zur differenzierten Beschäftigung heraus.
Das >Selbstporträt mit Affen< malt Lassnig 2001 in Öl auf Leinwand. Es ist 1,25mx 1m groß. Zu sehen ist ein ausdrucksstarkes Selbstporträt der Künstlerin, das auf Schönfärberei verzichtet. Das Motiv ist angereichert um einen Affen, den die Künstlerin im Arm zu halten scheint.
Referenzpunkt Selbstporträt
Für die Erfahrungsverankerte Rezeption Lassnigs Arbeit >Selbstporträt mit Affen< bietet es sich an, sich über die Gattung des Selbstporträts zu nähern. In einer eigenen bildnerischen Auseinandersetzung mit dem Selbstporträt wird der Anker für die anschließende gemeinsame Rezeption Lassnigs Werk gelegt.
Sequenzablauf
- Bildnerische Produktion zum Selbstporträt
a) Messen und Feststellen von Proportionen an Modellen oder Partnern aus der Gruppe/ Anfertigen von Skizzen
b) Überführen der Aufzeichnungen in eine weiterführende ästhetische Praxis (Malerei, Zeichnung, Plastik)
c) Besprechung der eigenen Arbeiten unter dem Fokus des Selbstporträts
2. Rezeption Lassnigs Arbeit >Selbstporträt mit Affen< (2001)
a) Erste Äußerungen/ Bezugnahme zu eigenen Arbeiten
b) Einordnung als Selbstporträt
c) Beschreibung/ Fokussierung bildnerischer Mittel
d) Informationen zu Maria Lassnig, zeitliche Einordnung
e) Interpretative Ansätze
f) Weiteres Selbstporträt zur Anwendung und Vertiefung des Gelernten
3. Präsentation
Bildnerische Produktion zum Selbstporträt
Das Konzept der Erfahrungsverankerten Rezeption beruht ganz wesentlich auf der Individualität bildnerischer Problemlöseprozesse und der Eigenständigkeit bildnerischen Ausdrucks. Das bedeutet, dass den Schülerinnen und Schülern größtmögliche Freiheiten eingeräumt werden sollen bei der Auswahl der bildnerischen Praxis. So kann es vorkommen, dass in der selben Sequenz einige Schülerinnen und Schüler malen während andere mit Ton plastizieren. Einzige Bedingung ist die Passung zum gewählten Referenzpunkt.
Da eine Freiheit in der Wahl der bildnerischen Mittel sowohl von den institutionellen Bedingungen, vom Vorwissen der Schülerinnen und Schüler sowie von den Möglichkeiten der Lehrkraft abhängt, werden zwei Varianten der bildnerischen Produktion angeführt. Eine enge Variante A führt stark, behält aber die wesentliche Reihung von der Produktion zur Rezeption bei. Die erweiterte Version B räumt zahlreiche Entscheidungschancen für die Kinder und Jugendlichen aus.
Was man braucht
- Meterstäbe, Lineale
- Skizzenheft/ Papier, Bleistifte/ Stifte
- A (enge Variante): 1 Malgrund pro S (festes Papier oder Leinwand)
- A (enge Variante): zum Malgrund passende Farben (Dispersionsfarben oder Wasserfarben oder Wachsmalstifte etc.)
- B (weite Variante): Materialien für Selbstporträts nach beründeter Entscheidung der Schülerinnen und Schüler (z.B. Farbmaterial wie in Variante A oder plastische Masse oder Zeichenmaterial etc.)
- Bildmaterial zu Maria Lassnig (Porträt der Künstlerin, das Werk >Selbstporträt mit Affen< (2001), weitere Selbstporträts von Maria Lassnig)
- Optional: Materialien zur Anfertigung von Leporellos: Kartonagen in Größe A4, Klebefilm, Bildmaterial zu Maria Lassnig
- Ausstellungsequipment entsprechend der ästhetischen Praxis
Ziele
- Kennenlernen/ vertiefen der Gattung Selbstporträt
- Bildnerische Erarbeitung eines eigenen Selbstporträts unter Berücksichtigung besonderer Ausdruckswerte
- Kennenlernen der Künstlerin Maria Lassnig und ihres spezifischen Ansatzes des Selbstporträts
- Kooperatives Erarbeitung einer Präsentation der erarbeiteten Inhalte der Produktion und der Rezeption
Vorgehensweise Produktion
Zur Einführung zeigt die Lehrkraft einige selbst gezeichnete Gesichter und Personen, die in ihren Proportionen „irgendwie nicht stimmen“. Es stellt sich die Frage, wie müssen die Maße sein, damit sie zueinander passen?
Die Schülerinnen und Schüler sollen die Proportionen im Gesicht kennen lernen. Dazu vermessen sie sich gegenseitig partnerweise und verzeichnen die Maße im Skizzenheft. Da das Ziel sein wird, ein Selbstporträt (das eben nicht nur auf das Gesicht beschränkt sein muss) auszuführen, kann die Erhebung der Maße auf den gesamten Körper ausgedehnt werden. In der anschließenden Besprechung werden die Gesichts- und Körperproportionen erörtert (Wo liegen die Augen? Wie oft geht die Länge des Kopfes in die gesamte Körperlänge? Etc.). Die Ergebnisse werden in die Skizzen aufgenommen. So er nicht schon bekannt ist, wird der Begriff des Selbstporträts eingeführt.
Ziel der folgenden bildnerischen Aufgabe ist es, ein eigenes Porträt mit malerischen Mitteln zu erstellen. Dazu wählen die Schülerinnen und Schüler einen Malgrund, Kartonage, Leinwand oder Papier. Mit geeigneten Farben wie Dispersionsfarben werden die Bilder angelegt. Aufgabe der Lehrkraft ist hier die permanente beratende Begleitung der Kinder und Jugendlichen. Die Schülerinnen und Schüler entscheiden selbst, ob sie vorab eine Zeichnung unter die Malerei legen oder gleich mit Farben arbeiten. Ebenso wählen sie selbständig den Ausschnitt von sich, den sie darstellen wollen (Kopfporträt, Ganzkörperporträt…).
Bei der weiten Variante B können sich die Schülerinnen und Schüler auch für eine andere bildnerische Technik entscheiden. Diese sollte ihnen zumindest in den Grundzügen bekannt sein. Um die notwendigen Materialien kümmern sich die Kinder/ Jugendlichen nach Absprache mit der Lehrkraft selbst. Die weite Variante hängt immer von den schulischen Situationen ab. Die Lehrkraft muss daher vorab entscheiden, wie viel Freiraum sie den Schülerinnen und Schüler geben kann und möchte.
Im Zuge einer konstruktiven Besprechung im Plenum wird thematisiert, inwiefern die Schülerinnen und Schüler einander schon auf den Bildern/ Arbeiten erkennen. Es wird besprochen, dass eine Person nicht nur durch ihr Äußeres charakterisiert wird, sondern auch durch seine Art, sein Wesen etc. Um zu klären, inwiefern das Selbstporträt der Person entspricht, die es gemalt/erstellt hat, wird daher auch besprochen, inwiefern die Farbwahl, der Modus des Farbauftrags oder bei einer anderen bildnerischen Technik die Darstellungsart dem oder der Einzelnen entsprechen. Es ist ratsam, an dieser Stelle die Möglichkeit der Weiterarbeit (ggf. zu Hause) einzuräumen.
Rezeption zu Maria Lassnigs >Selbstporträt mit Affen<
Zur Rezeption des ausgesuchten Werks von Maria Lassnig wird das Werk den Schülerinnen und Schüler gezeigt. Dies kann über die Displays von Tablets geschehen, über eine Projektion, über Postkarten oder über Ausdrucke. An erster Stelle stehen die freien Äußerungen, in deren Zuge die Kinder/ Jugendlichen auch zu ihren eigenen Arbeiten Bezug nehmen. Meist geschieht hier bereits die Zuordnung der Arbeit zur Gattung des Selbstporträts. Nach einer Beschreibung des Bildes wird rasch über die Idee des Affen im Bild spekuliert. Interpretationshilfen werden zusammen mit weiterführenden Informationen zum Werk und zur Künstlerin gegeben. Der Affe kann die künstlerische Eitelkeit hinterfragen oder auch nachahmende, reproduktive Ansätze anderer Künstlerinnen und Künstler kritisch beleuchten.[1] Die Informationen für die Schülerinnen und Schüler sollten je nach Jahrgangsstufe nicht nur Auskunft über die Biografie der Künstlerin geben, sondern auch auf die Malweise eingehen und weitere Selbstporträts der Künstlerin beinhalten. Über die Aufteilung des Materials auf verschiedene Gruppen zur arbeitsteiligen Erarbeitung und anschließender Besprechung entscheidet die Lehrkraft auch unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Zeit. Wichtig ist, dass es abschließend zu einer gemeinsamen Erörterung des Werks kommt, die den Inhalt des Bildes mit dem Modus der Darstellung verbindet und individuelle interpretative Ansätze zulässt.
Zur Vertiefung des Selbstporträtbegriffs werden ohnehin bereits weitere Arbeiten von Maria Lassnig herangezogen.
Es kann im Unterrichtsprozess durchaus zu Verschiebungen im Ablauf kommen. Dies ist der unterrichtlichen Dynamik geschuldet und führt meist zu einem fließenden Gesprächsverlauf. Aufgabe der Lehrkraft besteht darin, in ihrer Moderation die entsprechenden Impulse zu geben und Materialien bereit zu stellen, dass folgende inhaltlichen Aspekte thematisiert werden:
- Einordnung als Selbstporträt
- Beschreibung des Bildes
- Klärung der bildnerischen Mittel/ Malweise/ Farbwahl
- Spekulation zum Bildmotiv des Affen
- Informationen zur Künstlerin
- Interpretative Ansätze
Präsentation
Abschließend sollten die Ergebnisse der Produktion und der Rezeption in einer gemeinsamen Ausstellung zusammenfließen. Aus der Produktionsphase können ausgesuchte Skizzen zusammen mit den Malereien präsentiert werden. Die Form der Präsentation hängt immer auch von den Gegebenheiten der Schule ab. In Rahmen können Skizzen gut gezeigt werden, ebenso auch Malereien auf Papier. Wurde auf Leinwand gemalt, ist die Hängung recht einfach. An der Rückseite werden Krampen in den Keilrahmen geschlagen. An diesen wird dann der Haken am Seil befestigt. Eine weitere Möglichkeit besteht im Anfertigen von Leporellos. Auf diesen können die Skizzen gezeigt werden und Informationen zur Künstlerin präsentiert werden. In Schaukästen zeigen die Leporellos so die Vorarbeiten zu den ausgestellten Arbeiten und verweisen auf die Werke von Maria Lassnig.
Sollten die Bedingungen an der Schule eine Präsentation erschweren, können die Arbeiten auch auf der Homepage der Schule gezeigt werden. Es ist ratsam, vorab die Bewilligung der Eltern zur Präsentation der Arbeiten einzuholen. Schön ist es, wenn auch Skizzen dazu gezeigt werden können und ein Text die Entstehung der Arbeiten beschreibt.
[1] Vgl. https://sammlung.staedelmuseum.de/de/werk/selbstportraet-mit-affen-geliebte-vorvaeter [letzter Abruf 10.09.2020]